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Voltan

Brief von Delia an Janiha von Lindentreu

06. Ingerimm 1027 B.F.

Delia saß in ihrem Zimmer in Elenvina. Über dem kürzlich erhaltenen schwarzen Auge ruhte immer noch ihr Schal, in der Hoffnung das Auge abschirmen zu können. Die Hexe nahm sich Federkiel und Tinte und begann einene Brief aufzusetzten.

„!Persönlich! An Candidata Janiha von Lindentreu – Akademie der vereinten Künste von Schwert und Zauberstab – Kaiserlich Garethisches Lehrinstitut der angewandten kombattiven Magie, vom Schwert und Stabe zu Gareth, der Herrin Rondra und der Herrin Hesinde zum Wohlgefallen“ Gesiegelt mit dem Ring der Inquisiton der KGIA.

So den Empfänger hatte sie schon auf dem Einband des Briefes geschrieben, das war der einfache Teil. Während ihr Kater Nasir neben ihr schlief fuhr sich Delia durch ihr flammend rotes Haar. Es durfte nichts schief gehen. Sie war auf einer heiligen Mission im Namen der Liebe und der Herren Rahja unterwegs. Sie war fest entschlossen bei der Angebeteten von Voltan ein gutes Wort einzulegen. Dann leuchtete ein Feuer in ihren Augen auf und sie begann zu schreiben.

„Hesinde, Rondra und Rahja zum Große Candidata Janiha,

Ihr werdet mich nicht kennen, aber ich bin ein Mitglied des Schutzordens der Schöpfung, mit welchem Voltan derzeit auf Reisen ist. Vorab ihm geht es gut.

Ich möchte für Voltan Fürsprache halten. Voltan hat in der kurzen Zeit, in welcher er uns begleitet erstaunliches geleistet. Er zeigte außergewöhnlichen Mut, Disziplin, Ergeiz, Treue zu den Zwölfen und über seinen Stand als Candidatus hinaus gehendes magisches Wissen. Leider kann ich hier nicht genaueres schreiben, da ich nicht sicher bin, ob diese Nachricht abgefangen wird. Außerdem denke ich, dass Voltan Euch selbst gerne von seiner Reise mit uns berichten mag.

Das Voltan und Euch ein besonderes Band im Sinne der Herrin Rahja verbindet wurde mir schnell offenkundig. Als Dienerin der weißen Stute erfreut mich das sehr und selbstverständlich ist Euer Geheimnis (welches keines sein sollte) sicher. Ich finde es betrüblich, dass die Statuten der Akademie solche knopsende Liebe unterdrückt. Lasst mich versichern, dass Euer Herz sich den richtigen Mann ausgesucht hat. Er ist nicht nur gebildet, stark, magisch fähig und sieht darüberhinaus noch gut aus, sondern hat auch einen beachtlichen Stammbaum, derer von Spichbrecher. Ich selbst bin mit dieser Familie gut bekannt und nenne Reichsritter Sighelm Gilborn von Spichbrecher einen guten Freund. Ihr wäret sicherlich in der Familie sehr wilkommen.

Was die Kosten Eurer Ausbildung und die von Voltan betrifft, so denke ich, dass sich hier eine Einigung finden lässt. Ich würde Euch gerne unterstützen, damit Ihr nicht mit Schulden in Euer junges Leben geht.

Des Weitern ist es meine heilige Pflicht Euch mitzuteilen, dass von diesem Moment an Eure Liebe unter meinem persönlichen Schutz und damit unter dem Schutz des Schutzordens der Schöpfung steht.

Es würde mich sehr freuen von Euch zu lesen und Euch eines Tages persönlich kennenlernen zu dürfen. Spätestens wenn ich Voltan zu Euch zurückbringe.

Möge die weiße Stute und alle Zwölfe die schützenden Hände über Euch halten.

Hochachtungsvoll

Delia saba Isaria ban Rezzan al Cumrat
Auserwählte der Herrin Rahja
Schwanenhüterin zu Hochstieg
Ehefrau von Kalkarib al’Hashinnah ben Hilal bân Rezzan
Ordensgroßmeisterin des Schutzordens der Schöpfung
Inquisitorin der KGIA“

Mit zufriedenem Lächeln versiegelte Delia den Umschlag. Ihr grinsen wurde noch breiter, als sie sich erneut der absurden Situation bewusst wurde, dass sie als Hexe einen Brief mit dem Siegel eines Inquisitors der KGIA siegelte.

Aus der Geschichte lernen

Unterdessen in der Akademie Schwert & Stab zu Gareth-Schlossviertel

Drei Mal ertönte ein dumpfes Pochen an der Tür der Scholarenstube. Der Raum war klein und schlicht eingerichtet. Zwei einfache Steckbetten sowie zwei dazugehörige Nachtschränke, zwei sich gegenüber liegende kleine Sekretäre aus Eichenholz und ein großer Kleiderschrank aus einfacher Fichte in der Mitte, den sich Candidatus Voltan mit seinem Stubenkameraden Corelian, der ebenfalls kurz vor seiner Examinatio stand, teilen musste, waren Bestandteil der Inneneinrichtung. „Jaaa, was ist denn da schon wieder?“, zischte der junge Candidatus, der spontan Kopfschmerzen bekam, da es heute schon das dritte Mal war, dass er während seiner Studien gestört wurde. Er schob geschwind ein Lesezeichen an eine Stelle des Codex Albyricus und drehte sich auf dem einfachen Sekretärsstuhl zur Tür herum. Herein flog ein weiterer junger Mann in Voltans Alter. Die Türe war noch nicht ganz auf, da sprudelten schon die ersten Wörter aus dem jungen Magier heraus, er schien sehr aufgeregt zu sein: „Voltan! Ich habe Neuigkeiten! Das wird dich umhauen!“ Voltan schnaufte verächtlich und rollte mit den Augen. Er, der gerade konzentriert, ruhig und angestrengt studierte und nun latent genervt war, hatte im Moment eine gegensätzliche Stimmung zu seinem Stubenkameraden, der allem Anschein nach aufgeregt, laut und überschwenglich war.
Voltans Stubenkamerad schloss die Tür wieder hinter sich und blickte dann verstohlen zu ihm. Er setzte sich dann zackig auf eine nahe Bettkante. „Was gibt es denn so dringendes, Cori?“ Voltan gelang es nicht, seinen Unmut in seiner Stimme zu verbergen, er gab sich allerdings auch keine große Mühe. Passend dazu war besagter ‚Cori‘, der mit vollständigen Namen Corelian Arelis von Gareth hieß, von der Unstimmung seines Gegenübers vollkommen unbeeindruckt und fuhr fort: „Ich war vorhin kurz zu einem Kehlentänzchen im Lichthof …“, begann Corelian im verschwörerischen Tonfall mit gedämpfter Stimme im Plauderton zu erzählen. Mit ‚Kehlentänzchen‘ meinte er ein gekühltes Vollbier zu trinken. Es war üblich, dass sich mit jeder Generation junger Scholaren neue Bezeichnungen entwickelten, die das Trinken von Bier oder Wein auf eine verspielte und neckische Weise umschrieben. Und mit ‚Lichthof‘ meinte er die der weißmagischen Akademie Schwert & Stab nahe gelegene Gastwirtschaft in der Flachshauergasse. Viele Scholaren der Magierakademie verkehrten dort, aber nicht nur die, sondern auch junge Mitglieder der Stadt des Lichts. Da beide Einrichtungen dem Göttervater Praios gefällig waren, hatte sie eine größere Schnittmenge an Interessen und Gesprächsinhalten. Die Wirtschaft, die den passenden Namen ‚Lichthof‘ hatte, warb mit günstigen Spirituosen aller Art und zünftiger Hausmannskost zu jeder Tag- und Nachtzeit. Den Studiosi der Akademie, die nicht viel Handgeld bekamen, aber auch den jungen Praiosdienern, kam dies zupass, denn beide hatten nur wenig Geld zur Verfügung und in ihrer spärlichen Freizeit taten sie das, was alle jungen Männer und Frauen gerne taten. Sie selbst nannten es: ‚Einen Ritt mit der Himmelsstute auf dem Pfad des lieblichen Rauschs absolvieren‘. Eine blumige Umschreibung dafür, sich bis kurz vor der Besinnungslosigkeit mit billigem Bier abzufüllen, dabei allerlei Würfel- und Kartenspiele zu spielen und hin- und wieder ein körperliches und geistiges Kräftemessen zu vollziehen. Für All dies stand der ‚Lichthof‘ in der Flachshauergasse.
„Im Lichthof? Cori – es ist gerade mal kurz nach der Mittagsstunde!“ Voltans Versuch empört zu klingen scheiterte. Was von Corelian nur mit einem verschmitzt wissenden Grinsen quittiert wurde, dem sich auch Voltan nicht erwehren konnte. „Willst du jetzt wissen was ich gehört habe, oder nicht?“, fragte Corelian gespielt empört. „Nun, genau genommen …“, spottete Voltan desinteressiert. Jetzt, da er ohnehin schon gestört und aus seinen Studien herausgerissen wurde, konnte er eine kleine Abwechslung ganz gut gebrauchen und war an der Neuigkeit aus dem Lichthof interessiert. Corelian knuffte Voltan gegen die Schulter woraufhin Voltan bis über beide Ohren grinsen musste. „Nun hör zu, das interessiert dich wirklich … ich meine … wirklich wirklich.“ Corelians wechselte vom Plauderton in einen, trotz simpler Wortwahl, bedeutungsschwangeren Tonfall. Sofort war Voltan klar, dass es sich um keine alberne Komabesäufnisgeschichte oder ein peinliches Rahjaspiel eines Kommilitonen handelte. Sein Stubenkamerad hatte wirklich etwas Ernstes auf dem Herzen. Voltan vollführte eine Geste, um seinen Gesprächspartner dazu zu veranlassen fortzufahren. „Am Nachbartisch unterhielten sich ein ein paar Lichtis miteinander.“ An dieser Stelle soll erwähnt sein, dass ‚Lichtis‘ die sehr gut behütete akademieinterne Bezeichnung für alle Arten von Praiosdienern war. „Ich hörte wie sie sich darüber unterhielten, dass sie zwei Kisten bekommen haben, in denen die Überreste von Greifen drin sind. Beide wurden, mittels eines Dschinns, geschickt von diesem tulamidischen Graumagier aus Punin.“ Nachfolgendes Wort sprachen sie seufzend gemeinsam aus: „Nehazet.“ Voltan und Corelian hatte beide schon von dem Magus gehört, ein Graumagier der im traditionell traviagefälligen Rommilys zum ‚Propheten‘ ausgerufen wurde, konnte schwerlich unbekannt bleiben. Die Entwicklung war für mehrere Tage an der Akademie Schwert & Stab ein heiß diskutiertes Thema. „Doch das ist nicht alles. Es ist nicht der erste Greif der … bei Praios … können die das überhaupt … ‚gestorben‘ ist. Die Kisten sollen aus den Sicheln geschickt worden sein. Dort geht etwas vor, sag ich dir.“ Voltan prustete. Für einen Moment versank er in seinen Gedanken, denn er musste in seiner Erinnerung kramen, um diese neue und geheime Information mit seiner Vergangenheit zu verknüpfen.

„Cori, hast du eigentlich nur eine geringste Ahnung was das bedeuteten kann?“, fragte Voltan, doch Corelian schüttelte nur den Kopf. „Keine Ahnung. Ich wollte dir das nur erzählen, da du dich doch so für Greifen interessierst … ich meine … auf deinem Nachttisch liegt das Verzeichnis der bekannten Greifen und ihrer sagenumwobenen Geschichten. Und jedes Mal wenn wir beim Kehlentänzchen über die Lichtis sprechen langweil … ähh ich meine erzählst du uns eine andere Geschichte von diesen edlen Geschöpfen des Göttervaters.“ Corelian versuchte seinen fast begangenen Fauxpax mit besonders bedeutsam gesprochenen letzten Worten wieder gut zu machen. „Nein, ersthaft Cori … warte …“ Der junge Spichbrecher drehte sich knarzend auf dem Sekretärsstuhl herum, zog ein Buch aus dem Stapel auf seinem Tisch und blätterte hastig darin um. „Dies ist die Chronik aus dem Jahre 1022. Genau genommen aus …“ „Du meinst 29!“, fuhr Corelian harsch dazwischen. Die Kommilitonen führten einen seit acht Götterläufen ausgefochtenen Kleinkrieg zum Thema Zeitrechnung. Voltan hatte von klein auf die Zeitrechung ‚Nach Bosparans Fall‘ beigebracht bekommen und führte diese deshalb auch fort, zumal sie in akademischen Kreisen auch anerkannter war. Corelian hingegen war, wohl auch wegen seiner Blutlinie, ein Verfechter für die neu eingeführte Zeitrechnung ‚Nach Hal‘. Beide jungen Männer blitzten sich kurz an, doch beide wussten, dass jetzt nicht der Moment war um darüber zu diskutieren. Voltan setzte erneut an: „Genau genommen aus dem Traviamond. Es ist eine Auflistung aller bekannter Greifensichtungen. Das besondere daran ist, dass zu der Zeit die Heptarchen versucht haben, Irrhalken über die Schwarzen Sicheln und die Trollzacken zu schicken.“ Voltan deutete mit den Finger auf mehrere Stellen in denen von Greifen und Irrhalken die Rede ist. „Praios sei dank, waren damals die Greifen da, um sie abzufangen – es kam zu vielen erbitterten Kämpfen in der Luft.“ Er schlug die nächste Seite auf, welche eine Schnellskizze von einem Greifen und einen Irrhalken war, die sich in der Luft spektakulär bekämpften. Corelian vergrub sein Kinn in seiner hohlen Hand und blickte angestrengt in die Chronik, unterdessen fuhr Voltan fort: „Vor vier Götterläufen hatte Galotta schon einmal probiert, die Lufthoheit zu erlangen – und war gescheitert.“ Die Jungs nickten beide. Auch wenn sie zu der Zeit erst 14 Götterläufe alt waren, so hatten sie von dem vorangegangenen Krieg, welcher als 3. Dämonenschlacht in die Geschichte eingesehen sollte, und den Gebietsgewinnen der Schwarztobrier alles mitbekommen.
Voltan blätterte erneut um. Neben dem Text, welcher den Kampf zwischen den Wesen des Lichts und denen der Dunkelheit beschrieb, war eine Schwarz-Weiß Zeichnung zu sehen. Es zeigte eine Darstellung mehrerer Greifen, die abstrakt aussehende Flugmaschinen über den Trollzacken angriffen und zum Absturz brachten. „Diese dämonischen Flugmaschinen flogen im Phex- und Perainemond von Schwarztobrien über die Zacken und die Sicheln, nichts – absolut nichts – hätte sie aufhalten können, außen den Greifen. Nur dank ihres selbstlosen Einsatzes wurden sie zerstört, noch ehe sie die Städte erreichten.“ Im Gesicht von Voltans Mitbewohner konnte man sehen, wie er begann zu verstehen, worauf er hinaus wollte. „Moment, willst du damit sagen, dass …“, begann er. „Ganz genau“, beantwortete Voltan dessen Frage, noch bevor er sie zu Ende ausgesprochen hatte. Ein langer Moment der Ruhe folgte. Corelian verstand, worauf sein Kommilitone hinaus wollte und es ließ ihn schlagartig erschaudern. Nervös kratzte er sich am Kinn, während Voltan mit einem lauten Knall die Chronik zuklappte, um dann den jungen Spross des Hauses Gareth mit einem durchdringenden Blick zu belegen.

„Wir müssen das berichten“, brach Corelian mit zaghafter Stimme das Schweigen. Es klang fast wie eine Frage. „Nein, man kann nicht wissen wo die Spione der Heptarchen sich überall verstecken.“ Er legte die Chronik wieder zu den anderen Büchern und klappt auch den Codex Albyricus vorsichtig zu, in dem er vorhin noch gelesen hatte. Dann stand er auf, griff nach seinem Magierstab und sagte: „Ich habe eine bessere Idee.“

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