Neueste Kommentare

Monatsarchive: Juli 2020

Teil III – Hasardeure (2)

In einem Wäldchen nahe Perz – 16. Peraine, 34 nach Hal – In der Nacht

Ordensmeister
Sieghelm Gilborn
von Spichbrecher

Wüstensohn
Kalkarib
al’Hashinnah

Hüterin der Saat
Adellinde
Peraine-Geweihte

„Ha!“ Albrax’s Axt trennte einen Unterarm vom Rest des Körpers. Blut schoß durch die Luft. „Huh!“ Die Axt wirbelte in der Luft herum und drang dann tief in den Oberkörper des Söldners ein. „Hehe!“ Mit dem metallischen Endstück des Stils wehrte er gekonnt den Schwerthieb einer Söldnerin ab und ging ohne Unterbrechung zum Gegenangriff über. „Nimm das!“ Sofort sank sie auf die Knie, als sich Albrax‘s Axtblatt tief in ihre Hüfte schob. „Klonk!“ Mit der Wucht eines wasserbetriebenen Stampfwerks hämmerte Albrax seinen Helm gegen ihre Stirn. Sie wurde nach hinten über geschleudert und stand nie wieder auf.  „Was für ein Spaß!“, intonierte er auf der Suche nach einem neuen Gegner. Seine Brüder und Schwestern kämpfen noch gegen die inzwischen dezimierten Söldner, die entgegen seiner Erwartung bis aufs letzte Blut kämpften. Was ihn insgeheim ein kleines bisschen freute, denn im Hinterherrennen war er nicht so gut. Zumal es sich für einen Hochkönig nicht geziemte, einem fliehenden Feind nachzustellen. Dafür gab es schließlich Armbrüste. Albrax erblickte Kalkarib, der nur wenige Meter von ihm entfernt stand. Er humpelte und wehrte sich mühsam gegen einen Söldner mit einem Breitschwert. Albrax verließ die Kampfreihe der Zwerge, welche sofort von seinen Brüdern und Schwestern geschlossen wurde. Seine knubbeligen Finger griffen nach etwas an seinem Gürtel, als er hinter den Reihen der Angroschim langging. Der junge Wüstensohn hatte Mühe mit seinem Gegner, was wohl an seiner ihn benachteiligenden Verletzung lag. Albrax‘ Arm beschrieb einen Halbkreis, als er durch die Luft zuckte. Im nächsten Moment schaute aus dem Oberschenkel des Söldners der Griff einer Wurfaxt heraus. „Aaaagh!“, brüllte dieser, der sich fortan auf Paraden beschränkte, da Kalkarib in die Offensive ging. Den schnellen Bewegungen des Novadis war der verletzte Söldner nicht gewachsen. Es dauerte keine zehn Momente, bis er seinen Gegner überwältigt hatte und auch dieser Söldner zu Boden ging. Als Kalkarib seinen Khunchomer am Wappenrock des Mannes abstrich, erblickte er den neben ihm stehenden und unter seinem grauen Bart breit grinsenden Hochkönig. „Mir erschien das gerechter“, brubbelte er plötzlich mit roten Pausbäckchen und zuckte kurz mit den Achseln. Was bei einem Zwerg mit seinem Format so aussah, als würde eine gedrungene Eichentruhe den Versuch unternehmen hüpfen zu wollen. Albrax hatte ihm bei seinem Kampf geholfen, in der er seinen Gegner eine ähnliche Verletzung zufügte wie die, die er hatte. Auf diese Weise konnte er seinen Gegner selbst überwinden und seine Ehre erhalten. Kalkarib blieb keine andere Wahl als „Danke“ zu sagen. „Gern geschehen Junge.“ Albrax zwinkerte ihm zu und beide blickten über das Kampffeld. Die Angroschim hatten inzwischen ohne ihn den Sieg errungen, alle Söldner waren besiegt. Die beiden Männer blickten daher zur Anhöhe, wo noch kurz zuvor Sieghelm den Anführer der Gruppe die Stirn geboten hatte. Sie waren nur zwanzig Schritt davon entfernt, und im schwachen Fackelschein der Nacht konnten Sie nicht alles klar erkennen, aber was sie dort sahen, ließ sie beide den Atem anhalten.

Baron Markwart hüstelte und grinste noch immer, als er sich erhob und ausreichend Abstand zwischen sich und Sieghelm brachte, um mit der scharfen Seite seines langen Warunker Hammers den Kopf vom Torso des Ritters trennen zu können. Sieghelms Krämpfe waren noch immer so stark, dass er absolut gar nichts dagegen ausrichten konnte, nicht einmal ein Stoßgebet an die Herrin drang ihm über die Lippen. Das einzige, was er tun konnte, war ihm nicht die Genugtuung zu geben, die Angst in seinen Augen zu sehen, weshalb er sich dafür entschied, selbige zu schließen. Es war ohnehin besser, so würde er die tödliche Klinge nicht kommen sehen. Er dachte an seine Familie, an seinen Vater Parzalon, den er nun nie wieder sehen würde und zu dessen Hilfe er eigentlich unterwegs war. Er dachte an seine beiden Brüder, Traviahold und Torion. Sein kleiner Bruder Traviahold hatte inzwischen eine Familie gegründet und war sogar Abt eines eigenen Klosters. Torion, der ebenfalls eine Familie hatte, setzte die Blutlinie fort und befand sich wohl gerade im Familiensitz in Dettenhofen. Wie er wohl reagieren wird, wenn die Nachricht kommt, das sowohl er, als auch ihr gemeinsamen Vater ihr Leben auf dem Schlachtfeld gelassen hatten? Immerhin wird er dadurch Baron von Dettenhofen. Während ihm seine Gedanken durch den Kopf schossen, bemerkte Sieghelm nicht, wie viel Zeit inzwischen verstrichen war. Anscheinend ließ sich Markwart viel Zeit und kostete seinen Sieg in vollen Zügen aus. Da berührte ihn plötzlich etwas an der Wange, etwas kaltes und gleichwohl weiches. Er riss die Augen auf, und was er sah, konnte er nicht glauben. Es war Adellinde, die ihm ihre rechte Hand auf die linke Wange legte, während sie die andere Hand mit ein paar Kornähren zur Faust geballt auf Markwart richtete, der doch tatsächlich davon angewidert zurückwich. Ein göttlicher und kaum wahrnehmbarer Glanz lag auf der Aura der zierlichen Priesterin. Sieghelm wusste nicht, ob er das wirklich sah, oder ob das an dem Gift lag, das er eingeatmet hatte. Adellinde sprach dann mit seidiger Stimme und ihre Worte beruhigten ihn: „Habt keine Angst. Ich bin bei euch, Herr Ritter.“ Wobei ihre Stimme sich für ihn wie göttliches Harfenspiel anhörte. Und tatsächlich, seine Angst verflog. Für einen klitzekleinen Moment lächelte sie ihn an, was Sieghelms Herz höher springen ließ. Er wollte ihr danken, ihr irgendetwas sagen, doch er konnte nicht. Dann schloss sie die großen blauen Augen und sprach: „Heiliger Therbûn, mögest Du diesen Gläubigen leiten! Gnädige Peraine, schenke diesem Gläubigen Gesundheit!“ Während ihrer Worte wurde ihre Handfläche angenehm warm. Dann erhob sie sich und stellte sich breitbeinig zwischen ihm und Markwart verteidigend auf. Ihre Faust war dabei noch immer auf den schwarzen Ritter gerichtet. Sieghelm wusste zwar nicht, wie es ihr gelungen war, Markwart zurückzudrängen, aber er bewunderte ihren übermenschlichen Mut, sich ihm alleine und nur mit ein paar Kornähren bewaffnet zu stellen. Er spürte wie die Betäubung aus seinen Gliedern wich und er wieder Kontrolle über seine Muskeln bekam. Die Krämpfe ließen nach, doch an ihre Stelle trat erschöpfter Schmerz, als hätte er den Hindernisparcour in der Kriegerakademie zum dritten Mal absolviert.

„Glaubst du wirklich, dass du mich damit aufhalten kannst, du hübsches Ding?“, bellte Markwart wütend, dessen Gesichtsausdruck immer verzerrter wurde. „Ich bin Adellinde, ergebene Dienerin Peraines, und es war mein Tempel und es waren meine Brüder und Schwestern in Perz, die du geschändet hast“, erklärte sie. Ihre sonst so zarte Stimme war plötzlich durchdrungen von Entschlossenheit. Es war kein Funken Wut in ihr und kein Zorn lag auf ihrem Gesicht. In Markwarts Gesicht hingegen glomm unterdessen die Erkenntnis, dass sie hier war, um seine Taten in Perz zu vergelten. „Aaaaahh, du willst Rache, Mädchen.“ Als er das Wort ‚Rache‘ aussprach, wuchs wieder ein hämischen Grinsen auf ihm an. „Nein“, konterte sie kühl, was Markwart überraschte. „So, wie eine Eiche, in der die Spitze eines Pfeils steckt, keine Rache gegenüber dem Pfeil verspürt, so verspüre auch ich keine. Stattdessen lebt der Baum damit weiter und überwuchert den Fremdkörper. Peraines Güte ist größer und beständiger, als das kurzlebige und verderbende Gift, das dir Mishkhara schenkt, Paktierer.“ Für einen kurzen Moment wusste der Baron darauf nichts zu erwidern. Stattdessen griff er nach seinem Warunker Hammer und ging zum Angriff über. „Dann stirbst du hier! Dummes Ding!“ Adellinde hatte noch immer nichts zu Verteidigung, außer ihre paar Kornähren und nichts vermochte ihn aufzuhalten. Er würde sie mit einem einzigen Hieb spalten. Markwarts Mimik war eine Mischung aus süßem Schmerz und Freude, als er das Axtblatt von weit hinter sich schwang und über ihrem Kopf niederschießen ließ, denn noch immer war ihm nicht wohl in ihrer Nähe, aber er freute sich gleichzeitig, seine Arbeit in Perz vollenden zu können. Da knallte ein Donnerschlag über die Anhöhe, der alles, bis auf ein kaum hörbares ‚Nein!‘ eines wiedererstarkten Reichsritters übertönte. Mit aller Kraft und noch immer unter erschöpfenden Schmerzen hatte sich Sieghelm hinter ihr hochgestemmt, mit Custoris ausgeholt und mit der Wucht eines Auerochsen, der gegen ein Scheunentor rannte, gegen den Hieb des Barons geschlagen. Die Klingen kreuzten sich nur knapp vor Adellindes Gesicht, die nicht einmal mit der Wimper zuckte. Funken, Holz- und Metallsplitter spritzten in alle Richtungen, als der Paktierer zurücktaumelte. Der Kopf seines Hammers flog im hohen Bogen davon, Sieghelms Hieb war so stark gewesen, dass er glatt den langen Stil am Metallteil durchtrennt hatte. Markwart hielt nun nur noch einen abgebrochenen Stecken in der Hand. Seine Kampfhaltung ließ zu wünschen übrig, als sich Sieghelm lautstark prustend und mit blutunterlaufenden Augen schützend vor Adellinde schob. „Wo waren wir stehen geblieben?“, sagte Sieghelm, der Mühe hatte, die Worte auszusprechen. Markwart blickte verbittert auf das ausgefaserte Ende seines Steckens und warf ihn dann missmutig zur Seite. „Wollt ihr es so beenden? Nennt ihr das rondrianisch, einen Unbewaffneten zu erschlagen?“, spottete er und spieh dabei mehrere Klumpen Spucke aus. Er hatte recht, auch wenn er ein Paktierer war, es lag keine Ehre darin, einen Unbewaffneten zu erschlagen – und rondrianisch war es allemal nicht. Dann sah Sieghelm eine Lösung. „Dort ist ein Waffenständer, wählt eure Waffe und ich schenke euch einen raschen Tod, wie es sich für einen Adeligen gebührt.“ Mit der Spitze seines Anderthalbhänders deutete er auf einen nahen Waffenständer in dem Äxte, Streitkolben und Kriegshämmer standen. Markwart rümpfe angewidert die Nase, als er die Waffen erblickte. „Wir wissen beide, das ihr mir im Kampf überlegen seid, ich habe euch auf dem Mythraelsfeld kämpfen sehen, was soll das ganze also?“ Sieghelm schnaufte verächtlich und setzte dann mit ernster Stimme zu einer Erklärung an. „Wenn ihr euch nicht wie ein Adeliger verhaltet und sofort zu einer Waffe greift, dann werde ich euch wie einen Gemeinen behandeln. Ich lasse euch gefangen nehmen, werde euch an den Händen fesseln lasen und werde euch hinter meinem Pferd im Galopp über die Reichsstraße ziehen, bis von euch nur noch ein blutiger Klumpen übrig ist.“ Das hatte gesessen. Auch wenn Baron Markwart ein Paktierer war, aber so wollte auch er nicht sterben. Bei Markwart zeichnete sich blutrünstiger Hass auf seinem zerfledderten Gesicht ab. Widerwillig holte er sich einen zweihändigen Kriegshammer und stellte sich dann kampfbereit auf. „Ich muss euch bitten, nun etwas zur Seite zu treten, euer Gnaden. Ich übernehme wieder“, sagte Sieghelm mit sanftmütiger Stimme rücklings gewandt zu Adellinde, die ihre Haltung kein bisschen verändert hatte. Sie nickte nur, senkte die Faust und trat dann ein paar Schritte zurück. Augenblicklich verschwand auch die glitzernde Aura von ihr. „Gute Entscheidung, Euer Hochwohlgebohren.“ Sieghelm nickte seinem Kontrahenten anerkennend zu.

„Ich muss ihm helfen!“, sagte Kalkarib besorgt im novadischen Akzent. Kaum hatte er seine Worte ausgesprochen, eilte er auf die Anhöhe los. Doch er wurde jäh in der Bewegung unterbrochen. Der Hochkönig, der sich trotz Kalkaribs Bewegungsmoment keine Haarbreite bewegt hatte, hatte ihm am Handgelenk gepackt und hielt ihn an Ort und Stelle fest. Der Novadi blickte ihn ernst an, warum in Rastullahs Namen hielt der Zwerg ihn davon ab, Sieghelm zur Hilfe zu eilen? Es war offensichtlich, dass nicht nur er, sondern auch Adellinde in Gefahr waren. „Ganz ruhig, mein Junge.“ Albrax‘ Stimme war zugleich beruhigend und bestimmend. „Diesen Kampf muss er alleine bestehen.“ „Seht ihr denn nicht, wie er dasteht? Er ist verletzt!“, konterte Kalkarib im Tonfall eines Kindes. Albrax ruckte am Arm des Novadis, der daraufhin aufhörte zu zappeln. Mit sehr ernster Miene sah der alte Zwerg dem großen Novadi in die Augen. Seine buschigen grauen Augenbauen wippten dabei auf und ab. „Ja das ist er, aber es ist ein rondrianischer Kampf – und wenn ich etwas über Rondra in den letzten 200 Jahren meines Lebens gelernt habe, dann, das es egal ist, wie der Kampf ausgeht, solange er rondrianisch bleibt.“ Mit den letzten Worten ließ Albrax‘ den Novadi los, der Mühe hatte, sich aufgrund seines verletzten Beins zu fangen. Doch vom durchdringenden Blick des Zwergen konnte er sich nicht lösen. Kalkarik dachte nach, es lag viel Weisheit in den Worten des kleines Mannes. Er selbst verstand nicht viel von den Zwölfen, aber auch er hatte ein Ehrgefühl. „Sieh es wie den Kampf eben, wie würde es dir ergehen, wenn ich den Mann meine Wurfaxt in den Kopf und nicht in sein Bein geworfen hätte – oder willst du mir unterstellen, dass ich das nicht gekonnt hätte?“  Beim letzten Satz schob Albrax trotzig sein bärtiges Kinn nach vorne. „Nein, keineswegs!“ Kalkarib machte eine abwehrende Geste. Albrax‘ Haltung entspannte sich wieder, und nach einem kurzen Moment zwinkerte er dem Novadi zu. Sofort lächelte das Gesicht hinter der knolligen Nase wieder. Kalkarib wurde einfach nicht schlau aus dem Zwerg. Aber er hatte Recht, es war eine Angelegenheit der Ehre, ihn den Kampf alleine austragen zu lassen. Einerseits blickte er den Zwerg nun noch immer etwas wütend an, da er von ihm aufgehalten wurde, aber andererseits war er dankbar, dass er ihn daran erinnert hatte. Während das Donnern von Custoris begann, gingen die beiden Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten, die Anhöhe hoch, um dem rondrianischen Tanz zuzuschauen.

Sieghelm, der noch immer unter Erschöpfungsschmerzen litt, war schwerfälliger als sonst. Und Baron Markwart steckte noch immer in einer ihm weit überlegenden Rüstung. Er wusste jedoch, dass solange eine Dienerin Peraines anwesend war, es keinen Sinn mehr hatte, auf seine giftigen Paktgeschenke zurückzugreifen. Es musste es also in einem Kampf Mann gegen Mann austragen. Es war keinesfalls Sieghelms schönster Kampf den er je ausgefochten hatte, aber in seiner Vorstellung blickte die donnernde Göttin trotzdem in diesem Moment auf diese Anhöhe, und sah mit Wohlwollen dabei zu, wie er – ihr Auserwählter – einen Paktierer Mishkhara auf rondrianischem Wege besiegen würde. Rundherum versammelten sich die Zwerge, Kalkarib und Adellinde – der so entstehende Kampfplatz war ergo groß genug für die beiden Kontrahenten. Der Reichsritter tauchte jedoch so sehr gedanklich in den Zweikampf ab, dass er seine Freunde um ihn herum nicht wahrnahm. Begleitet nur vom sanften Knistern der Fackeln und in ihrem schwachen Schein, rang der Reichsritter des Greifenthrons zu Gareth den Paktierer unter Aufbringung großer Schmerzen nieder. Markwart von Graufenck aus Eslamsbrück, Baron von Taubrimora, verstarb im ritterlichen Zweikampf in einem Wäldchen nahe Perz, erschlagen von Ordensmeister Sieghelm von Spichbrecher – so würde es zumindest in die Geschichtsbücher eingehen. Der Kampf war auch rondrianisch, doch zwischendurch hatte der Baron Sieghelm etwas zugeflüstert, was sonst niemand anderes vernahm, was ihn anschließend in einen blutrauschartigen Zustand versetzte. Letztlich waren Albrax und drei weitere Zwerge gezwungen Sieghelm von Markwart herunter zu ziehen, als dieser mit dem Knauf seines Schwerts nur noch blutige Klumpen in den Boden stampfte, wo einst das eingefallene und kranke Gesicht des Barons war. „Hoffen wir, das Rondra rechtzeitig weg geschaut hat“, sagte Adellinde mit besorgter Stimme noch zu Albrax, als die beiden zu Sieghelm schauten, nachdem dieser sich beruhigt hatte und an einem Baum gelehnt die blutigen Klumpen Gehirn des Barons von den Händen wischte.

Wenig später, als die Angroschim den Kampfplatz aufräumten und Sieghelm um einen Moment der Ruhe bat, trat Adellinde an den auf dem Boden sitzenden Kalkarib heran. Sein linker Oberschenkel war inzwischen angeschwollen und schmerzte so sehr, dass er nicht mehr stehen konnte. „Was ist passiert?“, erkundigte sie sich bei ihm und kniete sich zu ihm nieder, während sie schon begann in ihrer Stoffumhängetasche zu kramen. „Mich hat ein Streitkolben getroffen“, sagte er nur. Er hatte außerdem ein paar kleine Blessuren, hier und dort ein paar Kratzer, aber nichts Schlimmes. „Was habt ihr vor?“, schob er noch interessiert hinterher, da er schon ahnte, was sie machen wollte. Doch würde er keinesfalls eine Ungläubige, und schon gar nicht eine unverheiratete Frau, seinen Oberschenkel berühren lassen. Sie fingerte aus der Tasche ein paar Kräuter und ein Salbendöschen. „Zieht eure Hose aus“, sagte sie. Da zuckte Kalkarib und sprang im Sitzen auf und ab, dass ihm sein Bein noch mehr wehtat. „A-Auf keinen Fall!“ Adellinde belegte Kalkarib mit einem Blick, der so viel sagte wie: ‚Ernsthaft?‘ „G-Gebt mir die S-Salbe und die K-Kräuter, ich mach das alleine“, stotterte er, was in Verbindung mit dem Novadi-Akzent besonders putzig für Adellinde klang. Er versuchte ihr beides aus den Händen zu reißen, doch sie drehte sich so ein, dass beides hinter ihrem Körper war und er sie nicht erreichte. „Was genau ist euer Problem?“ Ihre Blicke trafen sich und Kalkarib wusste nicht, wo er anfangen sollte.
‚All das!‘ wollte er ihr entgegen rufen, doch fand alles nur in seinem Kopf statt: ‚Weil ihr eine unverheiratete Frau seid! Weil ich verheiratet bin! Weil das ganz nah an meinem Schoß ist! Weil ihr eine Ungläubige seid! Weil ihr so jung seid! Weil ihr so hübsch seid! Weil‘ …“Muss ich euch erst besinnungslos schlagen, damit ich euch behandeln kann? So könnt ihr nicht stehen, und schon gar nicht gehen. Und Ser Sieghelm braucht euch nun mehr denn je, seht ihn euch an! Soll euer Stolz der Grund dafür sein, dass er so bleibt und beim nächsten Kampf vor die Hunde geht?“ „A-Aber…“ „Kein Aber! Nun lehnt euch zurück – ich kann es auch besonders schmerzhaft für euch machen, damit ihr nicht sagen könnt dass es angenehm war. Und nun lehnt … euch … zurück!“ Adellindes blaue Augen wurden so groß wie Unauer Glasperlen. Irgendwo im Hintergrund glaubte Kalkarib einen Zwerg kichern zu hören. Er hatte keine andere Wahl, die Verletzung war so stark, dass er ohnehin bald besinnungslos werden würde, wenn sie unbehandelt blieb und dann wäre er ihr ausgeliefert. Also lehnte er sich zurück und versuchte bei Besinnung zu bleiben, damit er Delia später erzählen konnte, was genau sie gemacht hatte.

Teil III – Hasardeure (1)

In einem Wäldchen nahe Perz – 16. Peraine, 34 nach Hal – In der Nacht

Ordensmeister
Sieghelm Gilborn
von Spichbrecher

Wüstensohn
Kalkarib
al’Hashinnah

Hüterin der Saat
Adellinde
Peraine-Geweihte

Die Überzahl der Söldner und die schlechten Sichtverhältnisse
ließen die Situation für Albrax, die Zwerge und Kalkarib zwar nicht aussichtslos,
aber als schwere Hürde erscheinen. Überraschenderweise gingen die Söldner
koordiniert vor, was die Lage zusätzlich erschwerte. Die Zwergengruppe hatte
ihre Formation geändert, inzwischen standen sie in einer Reihe Seite an Seite
und boten somit eine geeinte Linie gegen die Überzahl an Gegnern, an dessen einen
Ende sich Kalkarib eingereiht hatte. Beide Seiten tauschten ein paar prüfende,
aber nicht allzu ernst gemeinte Stiche und Hiebe aus, es waren die klassischen
ersten Versuche auszuloten, wie fähig die andere Seite war und wo ihre
Schwachstellen lagen. Kalkaribs besorgter Blick ging dabei immer wieder durch
die Reihen zu Sieghelm und dem schwarzen Ritter, die sich noch immer abwartend
in sicherer Entfernung gegenüberstanden und anscheinend miteinander sprachen.

„So sieht
man sich wieder“,
sprach der fremde Ritter in geschwärzten
Plattenteilen. Seine Stimme war kehlig und rau, wie von jemanden, der kürzlich eine
schwere Atemwegsentzündung durchgemacht hatte. Seine Worte machten Sieghelm
neugierig und er beschloss sich standesgemäß vorzustellen, damit sein Gegenüber
wusste, wer ihn zu Boron schicken würde. „Ich
bin Reichsritter und Ordensmeister Sieghelm Gilborn von Spichbrecher, ich streite
im Namen Rondras für Königin und Kaiserreich – und mit wem habe ich die Ehre
die Waffen zu kreuzen?“
Sieghelms Höflichkeit war keineswegs ernst gemeint,
gehörte aber zum normalen Adeligensprech. Der ältere Ritter, dessen Gesicht von
einer Kettenhaube eingerahmt wurde, hatte ein eingefallenes Gesicht und tiefe
Falten um seine braunen Augen. „Ich bin
Markwart von Graufenck, Baron von Eslamsbrück. Ich war in der Schlacht auf dem
Mythraelsfeld und habe gesehen, wie ihr den erhobenen Amagomer den Blutigen in
den Staub getreten habt. Meine Glückwünsche, ich konnte ihn eh nicht
ausstehen.“
Sieghelm dachte nach, seine Kenntnisse über die besetzten
Gebiete waren begrenzt. Da fiel es ihm wieder ein. „Eslamsbrück, das liegt in der Grafschaft Tobimora“, stellte er
fest. „Wir nennen es jetzt Taubrimora.
Doch genug geplaudert, lasst uns zur Sache kommen“,
schloss  Markwart von Graufenck und nahm wieder eine
Kampfhaltung ein. „Sehr gerne, euer
Hochwohlgeboren“,
bestätigte Sieghelm, ging ebenfalls ein eine Kampfhaltung
über und richtete die letzten Worte vor dem Zweikampf an Rondra, in dem er
etwas nach oben schaute: „Dieser Kampf
ist mein Gebet an dich, Herrin.“
Der Warunker Hammer des Ritters und
Custoris begegneten sich klirrend in der Luft. Mit jedem Schwung seiner Waffe
ertönte ein den Kampfplatz überschallender Donner. Da Sieghelms aktuelle Rüstung
dem des vollplattierten Ritters unterlegen war, musste Sieghelm nicht nur
vorsichtig sein, er musste auch versuchen seine Schläge gezielt zu setzen, da
er sonst nur Plattenteile einbeulte. Sieghelm wusste, ein Warunker Hammer,
dessen andere Seite mit einer scharfen Axtklinge versehen war, konnte mit
genügend Schwung verheerenden Schaden anrichten, die Langwaffe war beliebt bei
Söldnern, da man mit ihr sowohl gegen Plattenträger, als auch leichte Rüstungen
gut gewappnet war. Der stachelige Hammerkopf eignete sich gut, um Plattenteile
jeder Art zu knacken, während das lange Axtblatt genügte, um gegen weiche Ziele
vorzugehen. Sieghelm trug aktuell nur Kettenteile, weshalb beide Seiten der Waffe
für ihn gerade gefährlich waren. Zu guter Letzt hatte der Hammer am Ende einen
tödlichen, zehn doppelfinger langen Eisendorn, wenn auch selten eingesetzt,
konnte ein geübter Kämpfer diesen überraschend zum Einsatz bringen und damit
seinen Gegner aufspießen.

Zurückhaltend, da die eigene Sicherheit gerade im Vordergrund
stand, beschränkte sich Sieghelm zuerst darauf zu verteidigen, um taxieren zu
können, wie gut sein Gegenüber mit der Waffe umzugehen wusste. Den ersten paar
Schwüngen des Barons wich Sieghelm aus. Mit jedem Hieb legte sein Gegner mehr
Kraft hinein, was Sieghelm fortwährend dazu zwang Paraden setzen zu müssen. Dem
Reichsritter war klar, dass sein Gegner genau wusste, was er vor hatte. Er
würde also versuchen seine wahren Fähigkeiten zu verbergen und sie erst zeigen,
wenn er sich in einer Vorteilhaften Position sah. Sieghelm musste Baron
Markwart also eine überzeugende Schwachstelle anbieten, die ihm dazu verlocken
würde, gekonnter zuschlagen zu wollen, damit Sieghelm wiederrum diese exponierte
Haltung auszunutzen vermochte.

Während sich der Reichsritter und der Baron von Taubrimora
einen taxierenden Schlagabtausch leisteten, war der Kampf, der in unmittelbarer
Nähe unterhalb der kleinen Anhöhe stattfand, weniger taktisch. „Für jeden Zwei“, hatte der Hochkönig
der Zwerge mit vor Selbstsicherheit geschwellter Brust gesagt. Zuerst war sich
Kalkarib nicht sicher, ob der Zwerg witzelte oder ob er es ernst meinte, denn
er hatte bisher wenig Erfahrung im Umgang mit den Angroschim. Die mit rauem Kampfgebrüll
untermalten Axthiebe der Zwergengruppe ließen den Wüstensohn jedoch vermuten,
dass der Hochkönig seine Aussage tatsächlich ernst meinte. Sofort beschloss
auch Kalkarib zum Angriff überzugehen, zum einen wollte er sich vor Sieghelm
und den Zwergen keine Blöße geben, und zum anderen war die überschäumende
Selbstsicherheit des Hochkönigs inspirierend für ihn. Kalkarib musste es mit
zwei Gegnern gleichzeitig aufnehmen. Einer von Ihnen trug einen Streitkolben
und ein kleines Rundschild, auf dem die Zähne eines Wolfs aufgemalt waren. Der
andere hatte einen ihm einen Reichweitenvorteil bietenden Speer. Letzterer
stellte sich knapp hinter den mit dem Streitkolben und wurde vom Schild des
anderen gedeckt. Es war eine simple, aber dennoch effektive Kampfhaltung der
beiden Söldner. Kalkarib war, da er nur einen Khunchomer und keinen Schild
führte, in jeder Hinsicht unterlegen. Sie waren zu zweit, besser bewaffnet und zu
allem Überfluss auch besser gerüstet. Doch Kalkarib hatte den Glauben an
Rastullah auf seiner Seite, was aus Sicht des Wüstensohns den Vorteil der
beiden zu genüge ausglich. „Allah maei.
Satamut huna!“,
fauchte er auf der Sprache der Novadi seinen Gegnern entgegen,
um sie zu verunsichern. Für einen kurzen Moment zuckten sie tatsächlich
zusammen, denn selbst Söldner der Warunkei fürchteten die Flüche der Novadis.
Kalkarib ließ eine rasche Abfolge von Streichen und Hieben auf den Schildträger
los, die ihn dazu zwangen in die Parade zu gehen. Die Schneide des Khunchomers
regnete dabei pochend und Holzsplitter stobend auf dem Schild hernieder. Währenddessen
suchte der Speerträger einen Moment, in der Kalkarib gerade ausholte, um
zuzustoßen. Die Spitze des Speers durchstieß den wüstenfarbenen Kaftan von
Kalkarib und verfehlte ihn damit knapp. Das war der Moment auf den Kalkarib hingearbeitet
hatte. Er visierte sein Ziel an und zuckte mit dem Khunchomer blitzschnell
hindurch. Die letzten fünf Finger der gewölbten Klinge schnitten sich mühelos
durch den weichen Hals des Speerträgers. Noch während der Söldner Kalkarib mit
weit aufgerissenen und ungläubigen Augen anstarrte und zu spät realisierte,
dass das schneidige Geräusch der Luft nicht Bishdariel, sondern die Klinge des
Wüstensohns war, hiebte der andere mit seinem Streitkolben nach ihm. Kalkarib
versuchte auszuweichen, doch der Speer verhakte sich in seinem Kaftan und hielt
ihn an Ort und Stelle. Ein betäubender Schmerz durchzuckte seinen linken
Oberschenkel, als ihn der Kopf des Kolbens dort traf. Das Bein gab nach und
Kalkarib ging auf die Knie. Der Speerträger hatte seine Waffe inzwischen los
gelassen und hielt sich nun rückwärts taumelnd und blutgurgelnd den Hals. Der
andere Kämpfer hatte sich jedoch gefangen und wurde rasend vor Wut. Während Kalkarib
den Schmerz im Oberschenkel versuchte zu ignorieren, kam der Kopf des
Streitkolbens erneut auf ihn zu. Zweimal musste Kalkarib die kraftvollen Hiebe
aus der benachteiligten Position ablenken, was den Schmerz im Bein jedoch noch
mehr befeuerte. Da stürzte sich der Söldner plötzlich und unerwartet auf ihn.
Mit dem Rundschild voran warf er sich auf Kalkarib, der dieses Manöver
wahrhaftig nicht hatte kommen sehen. Er schlug mit dem Rücken auf dem Boden
auf, erneut brüllte der Schmerz in Kalkaribs Bein so intensiv, dass ihm kurz
schwarz vor Augen wurde. Als er wieder zu sich kam, sah er den Söldner mit
hasserfülltem Blick über sich sitzen. Das Schild drückte er auf Kalkaribs Brust
und rechter Schulter und hielt damit seinen Waffenarm fixiert. Kalkarib versuchte
unter dem Druck des Schilds seinen Khunchomer zu bewegen, doch gelang es ihm
nicht. Der Söldner holte zum finalen Schlag aus, Kalkarib blieb keine Wahl, er
zückte ohne darüber nachzudenken den Waggif, das kleine geschmückte Messer, und
stach damit ziellos zu. Die schlanke gekrümmte Klinge zwängte sich mühelos
zwischen den Kettengliedern hindurch und verschwand bis zum Schaft im Brustkorb
des Söldners. Es verstrich ein langer Moment, in dem alles verharrte und nichts
geschah. Selbst den Kampflärm drumherum nahm Kalkarib nicht mehr war. Da
hustete der Söldner plötzlich und Blut rann über seine Lippen. Der Streitkolben
rutschte aus dessen Hand und plumpste zu Boden. Die Gelegenheit nutzend, schob er
den Mann mit Hilfe des Schilds von sich runter. Es schepperte als er neben ihm
zu Boden ging, mühsam rappelte sich Kalkarib auf – der Schmerz in seinem linken
Bein war noch immer da. Als er seinen Familien-Waggif aus der Brust des Mannes
zog, schaute ihn dieser ungläubig an, bevor ihm die Augenlieder ein letztes Mal
zufielen. „Rastullah ich danke dir“, murmelte
er in seiner eigener Sprache und strich das Blut von der Klinge des Waggifs. Da
ließ ihn plötzlich ein ohrenbetäubender Schrei zusammenzucken. Der Novadi
realisierte, dass der Kampf zwischen den Angroschim und den Söldnern noch immer
in vollem Gange war, auch wenn sich ihre Überzahl inzwischen dezimiert hatte.
Humpelnd ging Kalkarib der Zwergengruppe entschlossen zur Hilfe.

Auf der kleinen Anhöhe wurde der Kampf zwischen dem alten
Baron von Taubrimora und dem Ordensmeister inzwischen ernster. Auch wenn keiner
von beiden bisher einen Treffer hatte landen können, so hatten sie beide viel
über das Kampfverhalten des anderen gelernt. „Wollt ihr mich ermüden, Ritter?“, spottete Baron Markwart, dem das
Getänzel begann zu langweilen, mit belegter Stimme. „Ich helfe euch gerne dabei, euch zur letzten Ruhe zu legen, euer
Hochwohlgeboren“,
konterte Sieghelm mit spitzer Zunge. Doch Markwart ließ
sich davon nicht aus der Ruhe bringen, ganz im Gegenteil, er schmunzelte sogar
ob der Aussage Sieghelms. „Ihr kämpft so
zaghaft wie die Akoluthinnen bei der kläglichen Verteidigung ihres
Perainetempels in Perz“,
sprach er in rauem Ton und ließ den Warunker
Hammer erneut rotieren. Sieghelm wich den Schlägen mühelos aus. „Ihr brüstet euch mit euren Schandtaten!?“ Sieghelms
Stimme kippte vom spöttischen ins ernste, auch er hatte langsam genug davon.
Als der Baron begann sich mit den Gräueltaten in Perz zu profilieren, wurde ihm
übel und wütend zugleich. „Ich habe die
zwei jungen Akoluthinnen zwei Mal auf dem Altar gepfählt – und ich kann euch
sagen – bei einem davon hatten auch sie ihren Spaß.“
Das ekelhaft
schmutzige Grinsen auf den faltigen Lippen des Barons, als er beschrieb was im
Tempel geschah, ließ den Reichsritter erzürnen. Die Vorstellung, was dieser
widerliche alte Bastard den Bewohnern von Perz angetan hatte, war schon
fürchterlich genug, doch dass er nun auch noch begann zu beschreiben wie er den Tempel schändete, kochte es
in Sieghelm hoch. „Schweigt!“,
brüllte Sieghelm und beschloss dem alten Mann jetzt und hier sein verdientes
Ende zu setzen. Der Reichsritter schwang in mächtigen Kreisen Custoris, Donner
grollte über das Wäldchen und mit wütend angewidertem Blick machte er Schritt
für Schritt nach vorne. Markwart wurde in die Parade gezwungen und wich zurück.
Er ließ Sieghelms Schläge ins Leere laufen, während das widerwärtige Grinsen
auf seinen Lippen nicht verging. Er hatte seinen Kontrahenten nun da, wo er ihn
haben wollte. Es verlangte schon sehr viel Kühnheit oder auch Wahnsinn, um sich
Sieghelms Ausfall und Abfolge von Schwüngen entgegen zu stellen, wahrscheinlich
besaß Markwart beides, als er plötzlich stehen blieb und Sieghelm weiter auf
sich zukommen ließ. Durch die Verkürzung der Distanz, rammte Custoris Stärke
donnernd auf die linke Schulterplatte des Barons. Der Plattenpanzer gab ächzend
unter der Kraft nach und Markwart spürte wie ihn die Klinge durch die Rüstung
hindurch traf. Er federte die Wucht mit den Beinen ab und blieb so, Angesicht
zu Angesicht zu seinem Angreifer stehen. Während Sieghelms Gesicht vor süßem
Zorn strahlte, überkam Markwart aus dem tiefsten Innern eine aufsteigende
Übelkeit. Erst gluckste es in seiner Brust, dann in seinem Hals und als würde
er ein dickes Knäuel Haare, wie ein Greifvogel das Gewölle ausspuckte,
hervorbringen, drang plötzlich aus seinem Mund ein ohrenbetäubendes Rülpsen,
gefolgt von einer giftgrünen Wolke, die zuerst über Sieghelms Gesicht, und dann
dessen ganzen Körper waberte. Der Reichsritter, der eben noch entzückt von
seinem Treffer war, erschrak und atmete einen tiefen Schwall von der
übelriechenden Wolke ein. Er taumelte reflexartig zurück und auch ihm wurde
sofort speiübel. Mit jedem Schritt, den er tat, spuckte und schniefte er. Es
gelang ihm geradeso die Selbstbeherrschung aufzubringen, sich nicht zu
übergeben. Auch seine Augen tränten für einen Moment, was Sieghelm dazu
veranlasste, Custoris schützend vor sich zu halten, falls Markwart vorhatte,
seinen Moment der Blindheit auszunutzen. Doch der Baron von Taubrimora blieb an
Ort und Stelle stehen, er rückte seine Schulterplatte zurecht, wischte sich den
Mund ab, als hätte er gerade von einer fettige Schweinshaxe abgebissen und
letztlich formte sich ein überlegenes und wissendes Lächeln auf seinem Gesicht.
„War das alles was ihr könnt, Herr
Ritter?“
Markwart wischte sich imaginären Staub von der Brust, während er
seinem Gegner erneut spottete. Sieghelm brauchte einen kurzen Moment, doch dann
hatte er sich wieder gefangen, die Tränen vergingen und den Geschmack nach verdorbenen
Fleisch hatte er erfolgreich ausgespuckt. „Ich
habe noch gar nicht angefangen!“
Sieghelm umklammerte Custoris noch fester
und ging mit mehr Entschlossenheit auf Markwart zu. Unterwegs zu ihm erfassten
ihn plötzlich Schmerzen in Beinen und Armen, als hätte ihn ein Zauber
getroffen. Sein rechtes Bein verkrampfte so stark, dass es sich zusammenzog und
Sieghelm das Gleichgewicht verlor. Mit aller Macht hielt er Curtsoris fest, als
er zu Boden ging und er am ganzen Körper heftige Schmerzen und unkontrollierte
Zuckungen hatte. Er unterdrückte den Schmerz, um nicht loszuschreien, wer auch
immer ihn verzaubert hatte, er wollte dem Angreifer nicht die Blöße geben zu
schreien. Doch was geschah mit ihm? Er sah Markwart langsam näher kommen, der
seinen Warunker Hammer lässig über die Schulter geworfen hatte und noch immer
das süffisante Grinsen in Gesicht hatte. Er konnte nichts dagegen unternehmen,
die Krämpfe und Zuckungen waren zu stark, dass er schon genug damit beschäftigt
war, nicht die Besinnung zu verlieren. „Dadurch,
dass ich den Peraine-Tempel schändete…“,
begann Baron Markwart mit seiner
krächzenden Stimme im Plauderton, „ …verlieh
mir meine Gottheit mehr Macht als zuvor.“
Er strich sich dabei wie
beiläufig über eines der Zeichen auf seiner Rüstung, was Sieghelm erst jetzt
als das Zeichen Mishkharas erkannte, der Dämonin der Missernten und der
Pestilenz. Sieghelm wurde sofort, allerdings viel zu spät, klar, weshalb der
alte Baron seit Kampfbeginn an so ruhig geblieben war. Er hatte einen Pakt mit
Mishkhara geschlossen, weshalb er es nicht nötig hatte mit Sieghelm in ein
rondrianisches Gefecht zu gehen. Er hatte dank seines Pakts die Macht und
Zugriff über zahlreiche wirkungsvolle Gifte. Sieghelm öffnete den Mund, er
wollte ihn verfluchen, seine Göttin anrufen oder um Hilfe rufen, doch außer
sehr leises Glucksen drang nichts aus seinem Mund, denn auch seine Stimmbänder
verkrampfen so sehr, dass er nicht einmal mehr das tun konnte. 

Markwart, der sich sicher war, dass Sieghelm ihm nichts mehr
anhaben konnte, kniete sich zu ihm nieder, um ihm besser ins krampfende Gesicht
blicken zu können. Er wollte den Moment seines Sieges in vollen Zügen
auskosten. Es war das zweite Mal, dass Sieghelm das eingefallene Gesicht des
alten Mannes von so nahem sehen konnte. Unter der Kettenhaube, die sein Gesicht
einrahmte, konnte er rote entzündete Haut ausmachen und auch seine Zähne, die
so Gelb und dünn waren wie Kornähren, standen weit voneinander entfernt in dem
kranken Kiefer des Paktierers. Sieghelm hatte all die Zeichen übersehen, er
hatte sich zu sehr auf das Kampfverhalten des Mannes konzentriert, dass er
keinen Blick für dessen Symbole auf der Rüstung oder die Zeichen des Paktes
hatte, die ihm sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben standen. „Ich habe eine Idee, ich werde euch meine Ländereien
in Taubrimora zeigen“,
begann Markwart erneut, dieses Mal in einem absurden
Ton, als würde er mit einem Kind sprechen. Seine krächzende und entzündete
Stimme – die ebenfalls ein Zeichen war, das Sieghelms übersehen hatte – machte
es jedoch makaber. Mit jedem Wort, das er aussprach, wurde sein Grinsen breiter
und breiter: „Ich werde euren hübschen
Kopf auf einen Speer aufspießen und durch mein Land tragen.“

Kommende Termine

  • Keine anstehenden Termine
AEC v1.0.4