Neueste Kommentare

Stordan

Es ist ein Angebot, dass er nicht ablehnen kann

Der Aufprall war hart, in seiner linken Hand breitet sich ein pochender Schmerz aus. Auch das linke Bein tut ihm weh, doch die Zehen lassen sich noch bewegen – anscheinend nicht ganz so schlimm. Wohingegen die Finger der linken Hand kaum mehr spürbar sind. „Verphext …“ stöhnt der alte Händler und versucht sich von dem feuchten Felsenboden aufzustemmen. „Ahhrgh!“ – Es bleibt bei einem Versuch, denn zu den Schmerzen im Bein und in der Hand kommt noch ein weiterer hinzu der ihm seines Atems beraubt. Ein brennenden Feuer durchflutet seinen Oberkörper, offenbar wurden bei dem Sturz einige seiner Rippen gebrochen. „Rontja? Kannst du mich hören?“ prustet er leise zwischen den Zähnen hindurch, doch eine Antwort bleibt aus. Er ist allein, alleine mit der Dunkelheit. Mögen die Götter dir beistehen, teure Nichte – hier unten bist du sicherer als über der Grasnarbe – denkt er sich und unternimmt erneut einen Versuch aufzustehen. Unter Aufbringung all seiner Kräfte gelingt es ihm dieses Mal auch.

Vorsichtig tastet er nach seiner linken Hand. Die Finger sind bereits taub, das Gelenk dick – etwas ragt an einer Stelle heraus wo nichts herausragen sollte. Gebrochen. Zum Glück ist es nur die linke Hand – denkt er und verbringt der Arm in eine Schonhaltung. Er tastet sich hinab zum Bein, es schmerzt – doch der Knochen scheint intakt zu sein. Es wird gehen … es MUSS gehen. Der Dolch scheint verloren, aber sein Familienschwert ist noch bei ihm und sein Schwertarm unverletzt. „Dann wollen wir Mal …“ stöhnt Stordan und schleppt sich humpelnd durch die Dunkelheit. Angetrieben von dem Gedanken seine Frau Gylvana zu Retten verdrängt er den körperlichen Schmerz, nichts wird ihn aufhalten können. Und wenn es nötig wird, würde er sogar mit Boron persönlich um sein Leben feilschen. Nur um sich ein paar letzte Momente zu erhandeln um die notwendigen Dinge ins Rollen zu bringen um seine Frau aus den Fängen Sharaz’Gatais zu befreien. Da verspürt er plötzlich wieder diesen seltsamen Ruf in seinem Geist: „Komm zu uns“. Für einen kurzen Moment bleibt er stehen und kneift die Augen zusammen. Er konzentriert sich auf diese Stimme – sie würde ihn schon dorthin bringen wo er hin wollte. Erneut verdrängte er den aufkeimenden Schmerz in seinen Gliedern. Nicht seine Fähigkeiten als Kämpfer werden jetzt gefragt sein, sondern sein Geschick als Händler. Und da erblickte er sie auch schon, die leuchtenden Augenpaare – sie waren unmittelbar vor ihm. Er zählte drei davon – zu viele für einen Kampf in seinem Zustand, an einem Ort an dem sie bevorteilt waren. Doch ihre Anwesenheit verunsicherte ihn nicht, ganz im Gegenteil, er war froh sie so schnell gefunden zu haben. Oder waren sie es die ihn gefunden haben? „Im Namen der Zwölfe, ihr Diener Warsews des niemals alternden …“ spricht Stordan mit fester Stimme und lässt dabei sein Familienschwert aus der Scheide schnellen. “ … ihr werdet mich anhören oder meine Praiosgeweihte Klinge wird eure Körper zerfetzen ehe ihr auch nur in meine Nähe kommt!“ Durch das Surren des scharfen Stahls, welches durch den Gang schellt, weichen die Augenpaare verunsichert zurück. Sie spüren die Macht die in der Klinge wohnt – denkt sich Stordan wissend, als er die Reaktion der Augenpaare zur Kenntnis nimmt. Jetzt nur nicht zaghaft werden! – fährt ihm durch den Kopf, während die Spitze seiner Klinge auf die Wiedergänger zeigt. „Bringt mich zu eurem Meister – lebend bin ihm hundertfach mehr wert als Tod.“

Momente später, in einer sehr dunklen, nassfeuchten unterirdischen Kammer steht Stordan von Sprichbrecher vor ihm, dem Henker Greifenfurts. Stordan ist zwar einen ganzen Kopf größer als er, doch seine Erscheinung ist dennoch mächtig. Umringt von etwa einem Dutzend weiteren niederen Anhängern, richtet sich der Großmeister des Kontors auf – der folgende Handel würde wohl der schwerwiegendste und zugleich schrecklichste sein, den er je abzuschließen hatte.

„Was ist es für ein Angebot, dass ihr mir unterbreitet wollt – Herr Magistrat?“ spricht der Mann mit dem Namen Zerwas mit dunkler und ruhiger Stimme, während seine letzten Worte von etwas Spott begleitet wurden. Des Henkers Richtschwert trug er bei sich, immer bereit den letzten Streich zu vollführen. Stordan atmete so tief ein und aus wie es ihm seine gebrochenen Rippen erlaubten. Schweiß rann an seinen Schläfen lang, zum einen vor Anstrengung ob seiner schweren Verletzungen, und zum anderen ob des schweren bevorstehenden Handels. „Ihr – Namenloses Wesen – habt etwas das ich brauche. Und ich habe etwas, dass ihr braucht.“ stellte Stordan fest und sah, dass die Augen des Henkers begannen zu funkeln. „Und was soll das sein?“ entgegnete dieser gelassen, doch Stordans geschultes Patriziergehör bemerkte einen Hauch Interesse in dessen Stimme. Auch wenn ihn in letzter Zeit vieles verlassen hatte, aber sein Instinkt schien ihm wohl erhalten geblieben. „Seit 500 Götterläufen seid ihr nun schon die Geißel dieser Stadt.“ beginnt Stordan selbstsicher seine wohl überlegte offerte. “ … und wohin hat euch das geführt? Ihr seid ein sehr mächtiges Wesen, mit einem enormen Potenzial – doch seht euch um? Ihr scharrt euch nach so langer Zeit noch immer mit euren willenlosen Dienern in feuchte Keller – und immer wieder ist es den Menschen gelungen, trotz eurer Macht, euch festzusetzen. Das ihr hier steht und mit mir redet, ist nur das Verdienst eines Haufens nichtsahnender Orks die zufällig über euch ein Blutbad anrichteten. Die Schwarzpelze werden schon bald nicht mehr die Kontrolle in der Stadt haben. Mit ihnen wird auch eure Macht schwinden. Sobald sie vertrieben sind, werden eure Lakaien vernichtet und ihr … schon bald wieder tief unter einem Tempel eingemauert werden.“ Stordan konnte ein nervöses zucken in den Augen des Henkers sehen, er hatte wohl nicht mit dieser offensiven Taktik des Händlers gerechnet, und auch nicht damit, dass dieser so viel über ihn wusste. „Was ist euer Angebot, sterblicher!“ dröhnt es dem Mund des Henkers. „Bringt mir mein Weib unversehrt aus dem Kerker der Feste – und ich werde eure kleine, regional begrenzte Blutsaugersippe über die Landesgrenzen hinaus expandieren lassen! Wehrheim, Gareth, Perricum, das Land der ersten Sonne, das Horasreich – ich habe die logistischen Mittel euch und eurer lichtscheues Gesindel sicher in jede Stadt der bekannten Welt zu bringen. Ihr braucht mich … oder ihr werdet wieder für die nächsten zwei-dreihundert Jahre als dekorativer Steinsockel in irgendeinem Tempel enden. Beim Namenlosen … es ist ein Angebot, dass ihr nicht ablehnen könnt.“

So viel zutun!

Die schwere holzvertäfelte Doppeltür der Magistratenstube fällt erneut ins Schloss. Ein fahler Windzug lässt die drei breiten Kerzen auf dem Schreibpult des Mannes, der vor kurzem die Geschäfte in der Stadt übernommen hat, gespenstig flackern. Der mit roter aranischer Seide, die er selbst einst aus dem exotischen Süden von einer Handelsreise mitgebracht hatte, bespannte Mohagonistuhl des Magistraten knarzt, als sich der alternde Patrizier wieder hinein gleiten lässt. Ein langer erschöpfender Seufzer entfährt Stordans Kehle. „So viel zutun …“ haucht er und schaut über die zahlreichen, sich stapelnden Dokumente, Bücher, Schriftrollen und Pergamente auf seinem Schreibpult, als wären sie eine Aveskarte, auf der geschrieben steht welcher Route man folgen muss um zum gewünschten Ziel zu kommen.

„In zwei Tagen wird der Usurpator die Festung und Stadt verlassen, es bleibt nicht mehr viel Zeit um den Widerstand aufzubauen um Greifenfurt zurück zu erobern. Er wird einige Tage fort sein – gut – aber der beste Moment ist kurz nach seiner Abreise, so dass der Bevölkerung ausreichend Zeit bleibt um sich auf seine Rückkehr vorzubereiten.“

Ein dumpfes Pochen hallt durch die Amtsstuben. „Herein!“ brüllt Stordan über die Unterlagen und Pergamente hinweg. Das aufstehen spart er sich inzwischen. Vier Männer treten ein, Beilunker Botenreiter, sie sollen je ein Schreiben an die Kontormeister nach Perricum, Zorgan und Vinsalt bringen. Die Geschäfte müssen wiederaufgenommen werden, ob Krieg oder Frieden – der Handel darf nicht stagnieren. Stirbt der Handel, stirbt auch das Land. „… und ihr, bringt dieses Schreiben Meister Tsadan Oberndorfer vom Spichbrecher Handelskontor in Zorgan im Stadtteil Zorrigan. Reitet so schnell ihr und euer Pferd es können!“ Seine Worte sind hart und bestimmend, die Männer verlassen die Stuben und noch ehe das Flackern der Kerzen aufgehört hat, ertönt erneut das pochende Klopfen. „Irgan …“ beginnt er rasch. “ … legt alles dorthin, ich habe weitere Erlasse für euch die ihr zu Pergament bringen müsst.“ Der Stadtschreiber läd ächzend drei dicke Bücher aus der Bibliothek auf der Eichenholzanrichte ab. Alles was er finden konnte über dn Henker und seine Vergangenheit.

„Die Nornpforte, die Schanze und das Greifenberger Tor müssen verschlossen werden! Wenn nur das Südtor offen bleibt, kann ich die Ein- und Ausfuhr an Waren und Menschen besser kontrollieren. Ich brauche dringend Leute denen ich vertrauen kann und die ein geschultes Auge besitzen. Sie müssen gleichsam fähig sein den orkischen Torwachen vorzuspielen nur einfache Gardisten zu sein, als auch so vertrauenswürdig, dass sie nur mir Bericht erstatten. Wo bekomme ich die nur her? Auch Lysandras Söldner können so besser in die Stadt geschleust werden. Zudem ist – nach der Rückeroberung der Stadt – dann nur noch ein Tor zu verbarrikadieren. Wie argumentiere ich vor dem Usurpator? Ein bevorstehender mittelländischer Angriff? Klingt gut – das werden sie Orks schlucken und hält die Bevölkerung im Glauben an eine Rückeroberung. Zwei Boronsfliegen mit einer Klappe – Feqs ich danke dir für diese Eingebung!“

„Wie ist euer Name?“ fragt Stordan die junge und grazile Frau die hinter ihm aufgetaucht war. „Ela ist mein Name.“ antwortet sie mit ruhiger Stimme. „Nehmt dort euren Platz ein … nein nicht dort … dort!“ Stordan wirft ihr einen letzten Blick zu und wendet sich dann wieder den Stadtgeschäften zu. Sie Stundenkerze brennt unermüdlich weiter …

„Ich habe ihm mein Essen überlassen, obwohl ich ahnte, dass es vergiftet war … armer Rukus. Zehn Dukaten und ein paar Blumen sind das einzige was ich im Moment tun kann um seine Witwe zu entschädigen. Wie lange war er eigentlich in meinen Diensten? Vier? Fünf oder waren es sechs Götterläufe? Verphext … was wusste ich eigentlich über ihn? Ich muss mir zukünftig mehr Zeit für meine Angestellten nehmen. Travia verzeih mir – ich hätte ihn nicht von dem Essen dass für mich bestimmt war kosten lassen dürfen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Achja, ich war in Gedanken bei den Stadterlässen, den Schreiben an die Kontormeister und an die Liste der Wideständler. Wer bei Belzhorash versucht eigentlich mich zu vergiften? Diese Magd ist nur eine Handlangerin – Clarissa? Gombet? Darrag? – keine Zeit darüber nachzudenken … es ist noch so viel zutun.“

Die Doppelflügelige Tür schwingt auf, Lumin und Asleif treten ein, sie berichten von einer unterirdischen Höhle mit Wasserfall und … moment … nein … das war die Marschällin. Wer sitzt da gerade vor mir und warum sind sie hier? „Wofür bezahle ich euch eigentlich!“ fährt es mit voller Wut aus Stordan heraus. Adern treten dabei pulsierend aus seinem Hals und auf seiner Stirn hervor. Die schwere goldene Kette des Magistraten erzittert als die Emotion aus ihm herausbricht. „Ihr berichtet mir nur Dinge, von denen ich schon seit Stunden Kenntnis habe!“ fährt er etwas ruhiger fort. Seine Finger krallen sich in das Mohagoni des Stuhles, so dass seine Knöchel beginnen weiß zu werden. Am liebsten würde er noch viel mehr herausbrüllen, denn etwas in ihm kämpft mit sich selbst, doch irgendwas hält ihn zurück. Die Fassung kehrt  wie von magischer Hand zurück. „Hier … geht zu dieser Adresse, folgt diesem Pfad und sucht dort nach einem Geweihten. Ein Priester der Gebenden Göttin und Ardach sollten dort zu finden sein – bringt mir einen davon – lebend!“ Der Magistrat schiebt eine Abschrift eines Wegeplans den beiden Migranten zu. Sie verlassen verdrossen die Amtsstuben, es ist noch viel zutun …

„Über Jahrhunderte hinweg … diese Namensgleichheit … bei Phex, das kann kein Zufall sein! ‚Das hohle Bein, das ist geheim‘ … die Brohms? Die Brohms! Irgendwo hier muss es sein.“

Ein Fach schwingt lautlos auf, zwergische Arbeit, ganz sicher! Eine alte Schriftrolle ist darin zu sehen. Mit seinem Dolch hebt Stordan es vorsichtig aus seinem Versteck. Mit einer weiten Bewegung schiebt er dutzende Bücher und Pergamente von Arbeitspult zur Seite. Bedächtig rollt er es auf, und liest die Worte aus dem 30. Regierungsjahr des Kaisers Alrik. Der schwache flackernde Schein der fast schon heruntergebrannten Kerzen offenbart ein weiteres Rätsel. „Was … oh Götter … so viel zutun.“

 

Du sollst nicht morden

Tagebucheintrag zum 23. Phex 1012

Fast ein ganzer Mond ist vergangen, seit ich die Schlacht auf den Silkwiesen wider den orkischen Horden überlebt habe. Vieles ist geschehen, gutes wie auch böses. Mein Kontor, unter der Besetzung der Schwarzpelze nur noch ein besseres Lazarett für gescheiterte Aufständige, ist kein pulsierender Ort des Handels und des Wohlstands mehr. Viele meiner getreuen Arbeiter und Wachen sind entweder geflohen, getötet oder jüngst beim Versuch sich gegen die Bestzer aufzulehnen verletzt worden. Ganze drei Kontorwachen sind mir geblieben um dem Kontor, meiner Familie und mir Schutz zu gewährleisten. Viel wichtiger jedoch: Meine Familie lebt! Yolande, Gylvana und Yolly sind wohl auf! Ich ließ meine kleine Tochter von Sartassa, einer der wenigen der ich Vertraue, nach Wehrheim, zu einer befreundeten bürgerlichen Familie bringen – dort wird sie sicher sein. Und sollten meine Frau und ich den Widerstand hier in unserer Heimatstadt nicht überleben, so wird unsere Familie mit ihr fortbestehen und mein ganzer Besitz an sie weiter gehen, der dann von meiner Bruder, bis zu ihrer Volljährigkeit, verwaltet wird.

Doch just in diesem Moment, sind es andere Gedanken die mich umtreiben und nur schwer Ruhe finden lassen. Oh Herr Phex, verzeih mir und meiner Familie für das was ich getan habe. Es klebt Blut an meinen Händen – Menschenblut. Der ungläubig erschrockene Blick des Magistraten Glombo Brohm, als ich ihm den kalten Stahl meines Dolches zwischen die Rippen schob, lässt mich nicht mehr los. Ich habe gegen eines deiner höchsten Gebote verstoßen, Herr der Schatten. Selbst und gerade wenn ich es scheinbar benötige, um an mein Ziel zu erlangen, so ist es uns als deinen Gläubigen – zurecht – untersagt den Weg des Blutes zu wählen. Es ist mir ein innigstes Bedürfnis und nur meine Natur an dieser Stelle mit dir nun über dein Urteil über mein Vergehen feilschen wo wollen. Bitte versteh: Niemals würde ich an dem Urteil des Herrn zweifeln, was wäre ich für ein armer Wurm wenn ich dies täte. Nein. Ich möchte nur alle Fakten in die Waagschale legen und sehen welche Seite mehr wiegt um am Ende einen gerechten Handel zu erhalten – ganz in deinem Sinne.

Ich schätzte Glombo, er war mir sogar fast schon ein Freund. Seine Familie stellt seit langer Zeit die Magistraten der Stadt und zu Friedenszeiten war er ein guter Vorsteher derselben. Er erließ Gesetze die den Handel florieren ließen, er ließ stets mit sich über Steuererlässe reden und war ein Mann der wusste wie man die Händler auf dem Markt zur Ruhe bringen kann. Ich erinnere mich noch heute sehr gut daran, wie er einst auf dem Marktplatz auf dem Tempelberg kam, während eines Streits zwischen den Bäckern und den Knochenhauern, welcher Platz ihnen zustehe – und allein seine ruhige Ausstrahlung und Anwesenheit genügte um die streitenden Parteien zu besänftigen. Doch nun ist er tot – sein Leben genommen durch die Hand eines Freundes. Tiefe Trauer berührt mich deswegen. Doch dem einen tragischen Leid folgte zugleich ein zweites. Auch sein Sohn, der taugenichts, aber dennoch ein Mensch, ward zugleich wegen meiner Verleumdungstirade von den Besatzern geköpft worden – das war nicht mein Ansinnen. Doch es lag nicht in meiner Macht es zu verhindern. So gesehen … ist es nicht nur eine, sondern gleich zwei Seelen deren Leben ich auf dem Gewissen habe.

War es ungerecht Glombo zu töten? Ja. War es falsch ihn und seinen Sohn zu Unrecht zu verleumden und des „Verrats“ am Usurpator zu beschuldigen? Ja. War es notwendig um diese Stadt von seiner Geißel zu befreien zu können? Ja. Werden durch mein Handeln nun weniger Menschen sterben und das unheilige Treiben welches die Orks auf dem Tempelberg anrichteten von mir verhindert werden? Ja und Ja! Glombo war ein guter Magistrat zu Friedenszeiten, doch ein miserabler zur Besatzungszeit. Ihr hättet ihn zu euch holen sollen, verehrte Götter, als Greifenfurt in die dreckigen Hände der Schwarzpelze fiel. So blieb mir nichts anderes übrig, als durch meine Hand ihm eure Gnade zuteilwerden zu lassen. Für sein Vergehen an der Stadt, seiner Aufgabe, sie vor Brandschatzern zu schützen und ihre Bevölkerung vor Tod und Elend zu bewahren, nicht nachgekommen zu sein. Denn hätten die Orks die Stadt nicht bezwungen, würden dutzende von Geweihte aller Gottheiten noch am Leben sein, der Praiostempel wäre nicht geschändet, die Rondraburg nicht geschliffen und unzählige Bewohner nicht Verletzt oder gar getötet worden.

Fälle hier dein Urteil, Herr Phex. Ich tat es nicht für mich, ich tat es die Stadt und alle seine Bewohner darin – und ist es nicht dein Gebot, dass wir nicht für uns morden sollen? Ich tat es nicht für persönlichen Reichtum, Macht oder Vorteil, Ich tat es für die Freiheit Greifenfurts, für meine Familie und aller anderer Menschen des Mittelreichs. Ich Maße es mir nicht ein Urteil über meine Seele zu fällen. Mir bleibt hoffentlich noch viel Zeit, bis ich vor dir trete und um mein Seelenwohl feilsche. Ich werde dafür Sorge tragen, dass die Brohms eine ordentliche Beisetzung bekommen, damit ihre Seelen deinem Gericht zugeführt werden können.

Nun zurück ans Werk, ich muss eine Stadt von einem Usurpator befreien und einen Widerstand ausheben.

Nur noch einmal …

Tagebucheintrag zum 30. Tsa 1012

Nur noch einmal schlafen. Nur noch einmal Ruhe finden. Nur noch einmal … das Leben genießen – so gilt es zumindest für die anderen. Ich selbst brenne auf den morgigen Tag, denn die Schlacht ist nur noch wenige Stunden entfernt und mit ihr kommt die Erkenntnis. Erkenntnis über Sieg oder Niederlage, Erkenntnis über ein mysteriöses Schriftstück und Erkenntnis darüber, wer von den Göttern abberufen wurde und wer weiter zu kämpfen hat.

Wir werden im Morgengrauen aufstehen und uns kampfbereit machen, schon jetzt spürt man die Nervosität, die Furcht und die Wut, die in den Bäuchen und Köpfen der Männer und Frauen steckt. Die meisten ertränken diese Gefühle in Unmengen von Schmalbier und zahllosen Bechern verlängertem Liebfeldischen. Es ist wohl besser so, denn jeder, der klaren Verstandes wäre, würde jetzt lieber sein kostbarstes Hab und Gut hergeben, um woanders sein zu können, anstatt hier – auf den marschigen Landen der Silkwiesen, nur einen Bollenflug entfernt von einem Heer aus stinkenden Schwarzpelzen, die brennend und marodierend durch unsere kaiserlichen Landen ziehen.

Ich selbst habe mein Testament verfasst, beim Herrn Phex, ich habe wahrlich schon bessere geschrieben – du weißt es – und dies mieses Schriftstück soll nicht mein letztes gewesen sein. Die Schrift krakelig, die Form zum Haare raufen und das Pergament fleckig vom lästigen und nicht mehr aufhören wollenden Schweißtrieb der Hände, welcher mich seit Tagen begleitet. Gesetzt dem Fall mein Testament wird nicht gefunden, so soll der, wer dies Tagebuch findet und liest, wissen, dass ich einige Zeilen darin niederschrieb, dass derjenige, der es findet und an meinen Familiensitz in Dettenhofen überbringt, eine gute Belohnung erhält. Im Moment befindet es sich im Besitz von Gerion Hullheimer, dem persönlichen Buchhalter von Oberst Giesbert Graf von Bruck, dem Anführer des II. Garether Freiwilligenregiments. Mein Angebot, dass ich auch für die Rekruten meines Haufens ein Testament verfasse, wurde dankend abgelehnt. Entweder sind es alle törichte Narren, die glauben alles und jeden zu überleben, oder wahrlich mutige Recken, die denken, wenn man sich einmal mit seinem eigenen Tod befasst es der Herr Boron leichter hat seine Liste abzuarbeiten. Ich bleibe und sehe das Ganze lieber nüchtern, mit klarem und scharfen Verstand. Die meisten dieser Mannen besitzen nicht mehr als das blutbefleckte Gold in ihren Geldkatzen und haben somit auch nicht viel zu verlieren. Im Falle meiner Abberufung gilt es jedoch allerhand abzuwickeln und zu erledigen – immerhin steht und fällt mit mir ein ganzes Handelshaus.

Gestern erreichte mich über Dero, dem kleinen Jungen, von unbekannter Quelle ein nicht unterzeichnetes Schriftstück, welches mir zusicherte nach Greifenfurt geschickt zu werden – so ich diese Schlacht überleben sollte. Dem Federschwung nach zu urteilen ist der Führer des Gänsekiels ein Mann – was die KGIA Agentin Sartassa wohl ausschließt. Doch wer möchte mir in den letzten Stunden vor der Schlacht auf diese Weise Mut machen? Der Graf von Bruck vielleicht? Dieser könnte es mir jedoch selbst sagen, immerhin sehen wir uns fast jeden Abend. Möglicherweise Hauptmann Alrik vom Blautann und vom Berg? Unsere Blicke kreuzten sich gestern kurz, als ich auf dem Weg zum Regimentszelt war. Vielleicht mein Vetter, Prinz Parzalon? Seine Handschrift hätte ich jedoch erkannt – immerhin kenne ich die Schrift seines Lehrers sehr gut, Meister Gasparyn von Varnyth hätte ihm niemals ein derart geschnörkeltes „W“ beigebracht. Oder eventuell doch der Reichserzmarschall Helme Haffax? Doch welchen Grund sollte er haben ausgerechnet mir einen anonymen Brief zu schreiben? Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als bis nach der Schlacht zu warten. Auch wenn es wahrlich anderes gibt worüber ich mich derzeit den Kopf zerbrechen sollte, so verläuft ein Großteil meiner Gedankenkraft dahin, Licht in dies nebulöses Rätsel zu bringen, welches dieses kleine Schriftstück umgibt.

Wie immer schließe ich mein Tagebuch mit dem Gedanken und den Gebeten an Euch, meine geliebte Frau, meine teuerste Tochter und meine verehrte Frau Mutter. Mögen die Götter Euch weiterhin schützen, auf dass Ihr den Widrigkeiten standhaltet, so wie die Mauern Greifenfurts der Belagerung standhalten.

Feuertaufe

Tagebucheintrag zum 22. Tsa 1012

Trotz des kühlen Wetters hängt der Geruch von Tod in der Luft. Im Eingang unseres Zeltes ist die Blutlache des Mannes, der uns angegriffen hat, inzwischen eingesickert. Doch ist sie ein Mahnmal für das, wozu der Feind in der Lage ist. Wer hätte je gedacht, dass dieses unzivilisierte und stinkende Pack von Schwarzpelzen zu so etwas in der Lage sein wird. Diese Götzen anbetenden Tiere schrecken vor nichts zurück!

Noch wissen wir nicht wie, doch es ist ihnen gelungen fünfzig Mann aus unseren eigenen Reihen zu beherrschen und gegen unsere eigenen Mannen aufzuwiegeln. Doch der Herr der Nacht wachte über uns und hat uns rechtzeitig aufwachen lassen, ehe sie zu viel Schaden anrichten konnten. Dank des beherzten Eingreifens des Magiers, dessen Fähigkeiten uns noch sehr nützlich sein werden, und des Efferdgeweihten ist es uns gelungen zumindest unseren Haufen vor Schlimmeren zu bewahren. Während wir am Tage im Tavernenzelt die unterschiedlichsten Neigungen und Vorlieben hatten, so waren wir unter deinem Mantel, himmlische Schwester, eins – verstanden uns blind und zogen an einem Strang. Ich danke der Leuin und dem Fuchse dafür, dass sie mir sowohl Mut als auch Gelegenheit gaben in dieser nächtlichen Stunde meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Was der Feind noch nicht weiß – und hoffentlich auch nie erfahren wird – ist, dass wir dadurch zu mehr Einheit gelangt sind. Die Schamanen der Schwarzpelze haben uns somit die Feuertaufe vorweg genommen. Spätestens seit dieser Nacht ist jedem der Ernst der Lage bewusst und jeder wird mit mehr Vorsicht in die Schlacht gehen, wissend darum, wozu der Feind in der Lage ist. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass er uns damit einen Gefallen getan hat, aber genau dem ist so.

Ich bin schon gespannt auf die Rede, die Bruder Delphinion am nächsten Tag halten soll. Oberst Sartassa ließ noch am gleichen Abend verkünden, dass er eine Motivationsrede halten solle. Es wird sich also zeigen, ob unser hübscher Jüngling aus Albernia mehr Schein oder Sein ist. Außerdem kann ich, fals er sich gut anstellt, dann das Reden halten jemandem anderen überlassen.

Abseits von Phexens Wegen?

Tagebucheintrag zum 20. Tsa. 1012

Ein altes Svelttaler Sprichwort besagt: Weht ein Wind über Wasser, so bilden sich Wellen. Ich war es in meinem Leben bisher gewohnt Wellen zu schlagen, doch war das Terrain ein anderes. Zinsverhandlungen, Warenwertschätzungen und Preisprüfungen waren meine Schlachtfelder auf denen ich sicher und routiniert wanderte. Doch nun ist das Feld ein anderes, ich habe den warmen, pelzbesetzen Kaufmannsmantel gegen einen kalten und einfachen Wappenrock getauscht. Ich bin Fähnrich des. 4. Haufens, des 3. Banners des II. Freiwilligenregiments seiner Königlichen Hoheit Brin von Gareth. Herr Phex, ist das der Weg den du für mich vorgesehen hast? Willst du mich prüfen, mich versuchen – oder gar neue Gelegenheiten aufzeigen? Ich zweifle nicht an dir und nehme es als Aufgabe an, doch bleibe ich dir treu.

Tintenfass und Gänsekiel gegen Schwert und Wappenrock zu tauschen war einfach, und es ist Teil meines Bühnenspiels, wie es wohl einst am Garether Fuchsbau aufgeführt werden wird. Das Kettenhemd ist kalt – es drückt, zwickt und lastet schwer auf meinen Schultern – doch darf ich mir nichts anmerken lassen. Ich bin jetzt Offizier des Militärs, und es ist meine Aufgabe nicht nur Vorbild für den Haufen, sondern auch ein leuchtender Anführer zu sein – und das, bei Rondra, werde ich sein, so wahr mir die Herrin Leuin beisteht, ich werde auch dich nicht enttäuschen, göttliche Schwester. Wenn es irgendwann so weit ist, dass du mich prüfen wirst, dann wirst du sehen, dass auch in mir noch ein Feuer brennt das heiß genug ist um den einen oder anderen Schwarzpelz zu versengen. Allerdings gerade du wirst verstehen, wie wichtig es ist Treu zu sein, weshalb ich den Werte deines Bruders weiterhin hoch halten werde.

Die erste Gelegenheit bot sich mir, als ich mich ins Zelt des Regimentführers vorargumentierte. Graf von Brück ist ein erfahrener Krieger und Mann der schon viele Sommer gesehen hat, er wird von mir eine angemessene Zuwendung bekommen – ich habe über die Götterläufe gelernt wie man die unterschiedlichsten alten Männer gütig stimmt, bei Satinavs Ketten, dabei bin ich selber fast einer! Die Bücher des Regiments zu führen, wird mich vielleicht in die Position spülen, einst die Truppen in die Richtung lenken zu können, die zur Rettung meiner drei Frauen notwendig sind: Nach Greifenfurt.

Die nächsten Tage steht die Ausbildung an. Korporal Zoltan scheint mir ein fähiger Kämpfer zu sein, er wird sich zusammen mit den zwei Angroschos schon um die Ausbildung kümmern, ein wahrlich kunterbunter Haufen, Tsa würde ihre Freude an ihm haben. Mein Fokus liegt auf der Elfe Sartassa, Mitglied der KGIA. Sie scheint auch ein gewisses Interesse an mir zu haben, hüllt ihre Motive jedoch in den Nebel der Ungewissheit. Warum wohl hat sie mir diese Vision zukommen lassen? Meine Fragen beantwortete sie mit kryptischen und nebulösen Worten – Elfengeschwätz oder geheimdienstlerischer Umgangston? Ich werde dran bleiben, denn steter Tropfen höhlt den Stein. Morgen geht es weiter, ich werde mich früh ins Lager legen, denn ich werde viel Puste brauchen um im Kettenhemd Wellen schlagen zu können.

Doch meine Gedanken sind bei euch – Gylvana, Yolande und Mutter, mögen die Götter euch behüten und die Widrigkeiten die euch widerfahren würden, auf mich übertragen

Kommende Termine

  • Keine anstehenden Termine
AEC v1.0.4